• Neues zum Thema Parodontologie

Neues rund um das Thema Parodontologie

Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Parodontologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:


Gesundheitsfrühförderung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit

Zahnärzte als zentrale Akteure in der fach- und sektorübergreifenden Integrierten Versorgung gehören noch nicht zur Alltäglichkeit unserer Versorgungslandschaft. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass die ständig wachsende wissenschaftliche Evidenz über die engen Beziehungen der medizinischen Teildisziplinen auch die Zahnheilkunde nicht ausspart und somit die Zahnärzteschaft vor ganz neue Herausforderungen stellt.

Immer mehr wird das wahre Ausmaß der systemischen Wechselwirkungen der pathogenen Prozesse der Mundhöhle erkannt und damit deren medizinischer Stellenwert erhöht. So werden neue Perspektiven auf die Behandlungsnotwendigkeit und den erforderlichen Behandlungsumfang eröffnet und letztlich durch die teilweise Überwindung der Grenzen zwischen den Fachdisziplinen eine bisher nicht mögliche Gesundheitsfrühförderung und somit effektivere Krankheitsvermeidung ermöglicht.

Bedeutung der Mundgesundheit wird unterschätzt Vielfach wird heute noch die Bedeutung der Mundgesundheit unterschätzt. Über die lokalen Probleme mangelhaften Zahnbestands und entzündlicher Erscheinungen hinaus, wie die Beeinträchtigung der Kaufunktion und die Beeinflussung der Sprach- und Sprechweise sowie des Aussehens, muss an die diversen gesamtgesundheitlichen Nachteile und die daraus oft folgenden psychischen Beeinträchtigungen bis hin zum Verlust von sozialer Akzeptanz gedacht werden. Insbesondere die systemischen Auswirkungen einer unbehandelten Parodontitis marginalis wurden vielfach untersucht. So wurden Zahnbetterkrankungen für mitauslösend erkannt bei Diabetes mellitus [1] und Schwangerschaftsdiabetes [9], Atherosklerose [2], Herzinfarkt [3], Schlaganfall [4], Lungenentzündung [5], Präeklampsie [11], untergewichtigen Frühgeburten [6, 37,38, 39, 40, 41] sowie Rheumatoider Arthritis [7, 8].

Die lange bekannten Einflussfaktoren auf die Mundgesundheit [10] erhalten angesichts der zunehmenden Erkenntnisse über die systemischen Zusammenhänge sowie im Zuge neuer Möglichkeiten der Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen ein sehr viel größeres Gewicht. Da die Rolle der Eltern bei der Gesundheitserziehung ihrer Kinder und speziell die der Mutter als Hauptquelle der Keimübertragung auf das Kind bekannt ist [42, 43, 44, 45, 46, 47], fällt bereits dem Frauenarzt während der Schwangerschaft eine gesundheitsfördernde Aufgabe außerhalb seines Fachgebiets zu. Die zahnärztliche Aufklärungsmöglichkeit ist bereits deshalb sehr eingeschränkt, weil 38 Prozent der Frauen während der gesamten Schwangerschaft nicht zum Zahnarzt gehen (1985 waren sogar noch 51 Prozent) [12].

Systemische Wirkungsmechanismen der Parodontitis Durch eine unbehandelte Parodontitis kommt es sowohl zur Streuung von Bakterien und bakteriellen Stoffwechselprodukten [16] als auch von körpereigenen entzündungsfördernden Botenstoffen in die Blutbahn [13, 14, 15]. Das hochempfindliche C-reaktive Protein (CRP) ist als systemischer Entzündungsmarker bei einer aktiven Parodontitis erhöht [17, 18, 19], wobei der CRP-Spiegel mit dem Schweregrad der Parodontitis korreliert [20]. Nach einer systematischen Parodontalbehandlung fallen der CRP-Spiegel [24, 21, 25] wie auch der Serumspiegel verschiedener anderer Entzündungsmediatoren wieder ab [13, 21, 22, 23, 14]. Speziell während der Schwangerschaft können Bakterien oder die unter einer Entzündung entstehenden Botenstoffe unerwünschte Effekte hervorrufen. So sind das Prostaglandin E2 (PGE2) und der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-a) als Botenstoffe einer Entzündung auch wesentlich am Verlauf der Schwangerschaft, der Wehentätigkeit und dem Geburtsablauf beteiligt [26]. Ein denkbarer Pathomechanismus, ausgelöst durch die bakterielle Präsenz im Uterus, ist die Freisetzung von Matrix Metalloprothease (MMP, als Kollagenase für das Lösen der Placenta verantwortlich) sowie PGE2 und TNF-a mit der Folge der Kontraktion der glatten Uterusmuskulatur und damit der vorzeitigen Wehentätigkeit [26]. Schon länger war bekannt, dass parodontalpathogene Keime plazentagängig sind und so die fetale Membran infizieren können [28]. Bereits in Frühgeborenen konnte ein signifikant höherer Nachweis von anti-IgM gegen Prevotella intermedia geführt werden. Ebenso wurde das Fusobakterium nucleatum als Auslöser für Frühgeburten ausgemacht [28]. Aber auch die im Blut zirkulierenden Entzündungsmediatoren für sich allein können Kontraktionen der Uterusmuskulatur auslösen [27].

Mundhöhle ist wesentliche Quelle intrauteriner Infektionen Nicht nur für die Zahnmediziner, gerade für die Frauenheilkundler/Frauenärzte sind die gefundenen Zusammenhänge zwischen den entzündlichen Vorgängen in der Mundhöhle und den intrauterinen Infektionen von großer Bedeutung und enorm hilfreich, geben sie doch teilweise Erklärungen für die unkalkulierbaren Gestosen (Schwangerschaftskomplikationen unbekannter Genese). Bislang wurden aufsteigende Infektionen des unteren Genitaltrakts als einzige Ursache von intrauterinen Infektionen mit der Folge von Frühgeburten angesehen. Seitdem aber orale Bakterienarten bei intrauterinen Infektionen gefunden wurden, und selbst Vaginosen häufiger bei Frauen mit Parodontitis als bei Frauen ohne diese gefunden wurden, ist die Mundhöhlenpathologie ernsthaft ins Blickfeld der Gynäkologen gerückt. Der Zusammenhang zwischen Parodontitiden und zu geringem Geburtsgewicht (unter 2.500 Gramm) wurde durch vielfältige Studien nahegelegt. So wurde in einigen Fallkontrollstudien und einer prospektiven Untersuchung festgestellt, dass schwere Parodontalerkrankungen der werdenden Mutter das Risiko für ein zu geringes Geburtsgewicht bis um das 7-fache erhöhen [53, 54, 55, 6].

Parodontale Intervention in der Schwangerschaft vermindert das Frühgeburtsrisiko Vorläufige Interventionsstudien belegen weiterhin, dass das Frühgeburtsrisiko nach parodontaler Sanierung abnehmen kann [56, 57]. Bei 74 Schwangeren, deren Parodontalerkrankung behandelt wurde, nahm die Frühgeburtenrate signifikant um das 3,8-fache ab, und die klinischen parodontalen Erscheinungen verbesserten sich ebenso signifikant (geringere Taschentiefen, geringere Belagbildung, geringere Blutungsneigung, Abnahme bestimmter Leitkeime). Die parodontale Intervention in der Schwangerschaft erwies sich zudem jeweils als sicher. In einer Kontrollgruppe parodontal erkrankter Schwangerer, die nicht parodontal behandelt wurden, konnten hingegen als Folge der schwangerschaftsbedingten hormonellen Umstellung signifikant zunehmende Taschentiefen, eine vermehrte Belagbildung und eine insgesamt beschleunigte Progredienz der Parodontitis beobachtet werden [56].

Wechselseitige Risiken Aber nicht nur stellt eine mangelhafte Mundgesundheit ein Risiko für die Schwangerschaft dar, auch löst umgekehrt die Schwangerschaft negative Veränderungen in der Mundhöhle aus, bedeutet also selbst ein Risiko für die Mundgesundheit. Die in der Schwangerschaft deutlich erhöhten Östradiol-Spiegel fördern die Aktivität des Streptococcus mutans als Hauptkarieskeim, weil dieser das Hormon verstoffwechselt. Die Hormonumstellung führt ebenso zu einer stärkeren Durchblutung des Bindegewebes, was der Gingivitis und Parodontitis Vorschub leistet. Ein verändertes Ernährungsverhalten in der Schwangerschaft sowie das dann gehäufte morgendliche Erbrechen stellen einen erosiven Angriff auf die Zahnhartsubstanz dar [32, 33, 34, 35, 36]. Ein erhöhter Streptococcus-mutans-Befall der Mutter ist wiederum die Hauptursache der Frühkindlichen Karies (Early Childhood Caries, EEC). Je höher die Keimbelastung in der mütterlichen Mundhöhle ist, desto größer ist auch das Kariesrisiko des Kindes [42, 43, 44, 45, 46, 47]. Hierüber wird, wie auch über die massiv schädigende Wirkung kariogener sowie erosiver Getränke, die dem Säugling mit der Saugerflasche gegeben werden, diskutiert. Es besteht also intensiver Aufklärungsbedarf bereits während der Schwangerschaft [12, 48, 49, 50], der, um effektiv zu sein, nur von Zahnärzten und Frauenärzten gemeinsam gedeckt werden kann. Der Schwerpunkt dieser Aufklärungsarbeit muss bei Familien mit niedrigem Sozialstatus und solchen mit Migrationshintergrund liegen, weil die Kariesprävalenz der Kinder dieser Schichten fast doppelt so hoch ist wie bei Kindern mit einem sozial hohen Status [51]. Aus der beobachteten Stagnation des Kariesrückgangs im Milchgebiss in Verbindung mit einer ausgeprägten Polarisation und hoher Prävalenz früher Kariesstadien folgt die Forderung nach neuen Konzepten der Gesundheitsfrühförderung und der frühkindlicher Betreuung [52].

„Claridentis“ koordiniert fachübergreifende Zusammenarbeit von Frauen- und Zahnärzten im Rahmen der integrierten Versorgung Seit 2008 wird im Rahmen des Claridentis-Programms (Vertrag zur Integrierten Versorgung) erstmalig die fachübergreifende Zusammenarbeit von Frauen- und Zahnärzten zum Zwecke der Gesundheitsfrühförderung flächendeckend bayernweit organisiert und durchgeführt. Eine gemeinsame Leitlinie regelt die Zusammenarbeit der beiden Fachdisziplinen in Bezug auf die gemeinsame Betreuung von Schwangeren. Danach beginnt die frauenärztliche Beratung über die Risiken unbehandelter Munderkrankungen für die Schwangere wie auch für das werdende Kind bereits im 1. Trimenon und damit weit früher, als in der Mutterschaftsrichtlinie gefordert. Der Frauenarzt fragt die Schwangere nach den ihr bekannten Problemen in der Mundhöhle und weist sie sowohl auf die durch jede Schwangerschaft verstärkten negativen Auswirkungen hoher Keimzahlen in ihrem eigenen Mund als auch auf die unerwünschte frühzeitige Übertragung dieser Keime auf den Säugling hin. Da der Frauenarzt den bedarfsgerechten Behandlungsaufwand nicht selbst beurteilen kann, überweist er die Schwangere zu einem dem Claridentis-Progamm angeschlossenen Zahnarzt. Zu diesem Zweck gibt er der Schwangeren einen Dokumentationsbogen mit, auf dem er seine Beratungsinhalte sowie für den Zahnarzt relevante gesundheitliche Details vermerkt. Der Zahnarzt macht eine genaue Befundaufnahme mit der Feststellung des gegebenen Entzündungsgrades und entscheidet danach über die bedarfsgerechten Behandlungsmaßnahmen. Mehr als 700 integriert zusammenarbeitende Frauen- und Zahnärzte und mehr als 20.000 vom Claridentis-Programm profitierende Patientinnen sprechen für den Erfolg von Claridentis. Und dabei ist das Integrationsmodul „Schwangerenvorsorge“ nur ein Teil dieser integrierten Versorgung, deren Ziel die allgemeine Verbesserung der Mundhygiene durch die interdisziplinär-fachübergreifende sowie Leistungssektoren-übergreifende Zusammenarbeit der Zahnärzte mit anderen relevanten Fachgruppen und Krankenhäusern ist.

Zahnarzt Dr. med. dent. Eberhard Riedel, München, Frauenarzt Dr. med. Manfred Stumpfe, Geretsried Das Literaturverzeichnis kann bei der DZW unter leserservice@dzw.de angefordert werden.

Quelle: www.dzw-online.de

31.05.2011



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